20 Jahre lang schrieb die Tanzgruppe Ballets Russes Geschichte, faszinierte die Menschen auf nie gekannte Weise und sorgte für die grössten Skandale der Tanz- und Musikgeschichte. Die legendären Choreografen Nijinsky, Massine und Balanchine arbeiteten für das bedeutendste Ballettensemble des 20. Jahrhunderts, Komponisten wie Debussy, Satie und vor allem Strawinsky lieferten die Partituren für innovative Werke. Die Uraufführung von Igor Strawinskys Le sacre du printemps in der Choreografie von Waslaw Nijinsky 1913 in Paris endete im Tumult. Mit der Darstellung eines Frühlingsritus im vorchristlichen Russland hatten die beiden Künstler eine schockierende Mischung aus Volkskunst, Gewalt und moderner Rhythmik geschaffen, die wie ein Überfall auf die Sinne wirken musste. Das Premierenpublikum reagierte mit Pfiffen, Gelächter, Protestrufen und sogar Handgreiflichkeiten. Bald nach dem Uraufführungs-Skandal avancierte das Ballett um eine Frau, die in einem archaischen Ritual dem Fruchtbarkeitsgott geopfert wird, zum Kultstück und hat die Tanzschöpfer immer wieder zu Neudeutungen angeregt. Aus heutiger Sicht und in zeitgenössischer Bewegungssprache, begibt sich das israelisch-niederländische Choreografen-Duo Uri Ivgi und Johan Greben mit ihrer Interpretation auf die Spuren der legendären Compagnie der Ballets Russes. Ergänzt wird dieses Meisterwerk der mu-sikalischen Avantgarde durch Claude Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune in der Adaption eines der erfolgreichsten Choreo-grafen unserer Zeit, Sidi Larbi Cherkaoui. Mit Faun vertraut der Belgier zum ersten Mal einer Compagnie in der Schweiz eines seiner Werke an. Dem 1911 sich skandalös selbst vergnügenden Faun Nijinskys wird eine Partnerin an die Seite gestellt, mit der er sich im Pas de Deux vereinen darf. Der Fokus liegt auf dem animalischen Gestus des Mischwesens, dessen Bewegungen fliessend delikat, dabei langsam sich sinnlich steigernd und endlich erotisch aufgeladen sind. Abrunden wird den intensiven, abwechslungsreichen Abend ein Tanzstück zu Maurice Ravels populärem Bolero, dessen tranceartige Wirkung noch immer eine grosse Faszination ausstrahlt. Für die Umsetzung konnte der französische Choreograf Etienne Béchard, der sich bereits in der vergangenen Spielzeit mit dem Erfolgsstück Post Anima in Bern in Szene setzte, gewonnen werden.
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